Medienzentrum Haus Villigst
„Gucken Sie nach vorne, bewältigen Sie die Gegenwart!“ [Dima in: "Masel Tov Cocktail"]

Masel Tov Cocktail

[Zutaten: 1 Jude, 12 Deutsche, 5cl Erinnerungskultur, 3cl Stereotype, 2 TL Patriotismus, 1 TL Israel, 1 Falafel, 5 Stolpersteine, einen Spritzer Antisemitismus - Zubereitung: Alle Zutaten in einen Film geben, aufkochen lassen und kräftig schütteln. Im Anschluss mit Klezmer-Musik garnieren. - Verzehr: Vor dem Verzehr anzünden und im Kino genießen. 100% koscher.]

Dimitrij („Dima“) Liebermann (19) ist Jude und hat Tobi geschlagen. Dafür soll er sich entschuldigen. Nur leid tut es ihm nicht unbedingt. Dima macht sich gezwungenermaßen also auf die Suche nach seinem Gegenüber Tobi und der Film wird zu einem Roadtrip durch seine Lebenswelt. Dabei trifft er, wie der Regisseur Arkadij Khaed es beschreibt, alle möglichen „Archetypen im deutsch-jüdischen Miteinander“. 

Die vielfältigen Situationen und Settings, die damit auch uns Zuschauer*innen begegnen, machen die ganze Fülle an Vorurteilen gegenüber Juden erfahrbar, die in der deutschen Gesellschaft zu finden ist. Dabei geht es für Dima um die Identitätsfrage was es bedeutet, diesen Vorurteilen und Haltungen ausgesetzt zu sein. Was heißt es eigentlich, jung und Jude in Deutschland zu sein? 

„Masel Tov Cocktail“ zeigt das als eine rasante Abfolge absurder Situationen in die die Figur Dima seine Zuschauer*innen immer wieder mit einbezieht. Der Kurzspielfilm unterläuft permanent alle Erwartungen. Als Genremix wechselt er ständig zwischen Satire, Jugendmagazin, Plattform-Ästhetik und Bildungsfilm-Attitüde. Was hier berechtigt ist und virtuos Methode hat, müsste bei anderen Film als stilistische Unentschlossenheit kritisiert werden. 

Dima reibt sich auf ausgesprochen sympathische Weise nicht nur an den Figuren, die ihm unterwegs begegnen, sondern auch an denen, die zu seinem Alltag gehören, Familie und Freunde – und letztlich auch an den Zuschauer*innen, die er immer aktiv und konfrontativ einbezieht.

Das „Masel Tov Cocktail“ ein letztlich offenes Ende hat, ist dabei mehr als konsequent.

Der Film hat ein Anliegen und entzieht sich gleichzeitig jeder pädagogischen Vereinnahmung oder Verzweckung immer wieder, weil er mit den Zuschauer*innen spielt, die Leinwand, die vierte Wand, durchbricht und immer wieder die falschen Fragen stellt – die ja die richtigen Fragen sind. Fragen nach Anti- und Philosemitismus, Fragen zur Erinnerungskultur und Schuld, Fragen zu unseren Bildern vom Eigenen und Anderen, denen wir uns immer wieder stellen müssen. 

Und deshalb ist er, so die Jurybegründung zur Auszeichnung des Films mit dem Menschenrechtsfilmpreis 2020, „ein Glücksfall, erfrischend frech, und hervorragend für Schule und politische Bildung geeignet.“

Also doch! Selbstverständlich gehört er dann in unser Verleihprogramm und muss seinen Weg dahin finden, wo bestenfalls miteinander (und nicht übereinander) geredet und voneinander gelernt werden kann.

Masel Tov Cocktail - Arkadij Khaet, Mickey Paatzsch - Deutschland 2020

Laufzeit: 30 Minuten - f - Kurzspielfilm

FSK ab 12 freigegeben ; empfohlen ab 12 Jahren

Zielgruppe/-n: ab 12 Jahren; Sekundarstufe I; Sekundarstufe II; Jugendarbeit; Erwachsenenbildung

Der Film steht angemeldeten Nutzer*innen im Medienportal zum Download zur Verfügung. und kann als DVD (Signatur D 8604) im Medienzentrum entliehen werden.

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Datum: 14.05.2021