In NARRT, dem Netzwerk für Antisemitismus und Rassismus kritische Religionspädagogik und Theologie, ist das Pädagogische Institut in Villigst seit seiner Gründung vertreten.
Es ist u. a. eine Plattform nicht nur für Veranstaltungen, die sich wissenschaftlich oder fachspezifisch-praktisch mit den oben genannten Themen beschäftigen; es dient auch der Erstellung und dem Austausch über Material, das sich theologisch mit Geschichte und Gegenwart von rassistischer, antisemitischer und sexistischer Praxis auseinandersetzt sowie mit der religionspädagogischen und theologischen Adressierung dieser Wirklichkeit.
Gefragt wird auch, wie die zentralen Kategorien christlicher Existenz und Theologie für eine Auseinandersetzung mit rassistischen und antisemitischen Denkwelten und Praxen produktiv zu machen sind.
Hier finden sich auch Unterrichtsmaterialien.
Wichtige Anstöße bringt nicht nur NARRT sondern auch der Fachtag der ALPIKA-Institute zum Thema „Interreligiöses Lernen“. In diesem Jahr lautete das Thema: „Antisemitismus an Schulen in Deutschland“. Im Mittelpunkt stand ein Vortrag von Prof. Dr. Julia Bernstein (Frankfurt University of Applied Science).
Wenn Jugendliche und junge Erwachsene hinreichend über den Nationalsozialismus und die Shoah aufgeklärt werden, wenn sie Gedenkstätten besuchen, so die Hoffnung, sollen sie dadurch gegen judenfeindliche Vorstellungen und Ressentiments ebenso gefeit sein wie gegen rassistische. Diese Erwartung an die Holocaust Education hat Julia Bernstein hinterfragt. Warum sich diese in Bezug auf den Antisemitismus in allen seinen Ausprägungen nicht erfüllen kann, zeigen die Interviews, die sie und ihr Team mit 251 Schüler*innen, Erzieher*innen und Lehrkräften geführt haben. (Julia Bernstein, Antisemitismus an Schulen in Deutschland Befunde – Analysen – Handlungsoptionen. Mit Online-Materialien, Beltz 2020)
Antisemitismus, so Julia Bernstein, wird im schulischen Kontext oft historisierend dargestellt. In den Blick kommt die Bearbeitung der Shoa, weniger der gegenwärtige Antisemitismus in unseren Schulen und in der Gesellschaft. Juden werden dabei als Opfer der Vergangenheit dargestellt. Weniger in den Blick kommt das lebendige Judentum und welchen Bedrohungen jüdische Gemeinden, auch Schüler*innen an Schulen in unserem gesamtgesellschaftlichen Klima ausgesetzt sind. Das Thema wird oft unter dem Blickwinkel des gesamtgesellschaftlichen Rassismus behandelt, ohne die spezifische Form des Antisemitismus zu betrachten.
Antisemitismus zeigt sich ihres Erachtens besonders auch in der Form aktueller „Israel-Kritik“: „Die hätten doch lernen können aus der eigenen Geschichte…“
Jüdische Schüler*innen, gleich welcher Jahrgangsstufen müssen sich positionieren zum Staat Israel, egal ob sie in diesem leben, wie sie die nationale Politik finden, oder dazu eigene Entscheidungen getroffen hätten. Sie unterliegen immer und immer wieder dem sogenannten „Repräsentationsgeschehen“ in Stellvertretung.
Die dritte Form des Antisemitismus zeige sich in der Gegenüberstellung des Minderheiten- und Mehrheiten-Status. Weil es eben so wenige Juden gäbe (warum wohl?), setzen sich die Schulen nicht mit der Frage des „gelebten Judentums“ in Deutschland auseinander. Die Argumentationen der Lehrkräfte sind dabei vielfältig: „Wir haben so wenige Ansprechpartner.“ Oder anders: „Gerade, weil die Bedrohung Angst unter jüdischen Schüler*innen auslöst, geben sich diese kaum zu erkennen. Warum sollten wir das Thema ansprechen und sie gefährden?“
Ihre Frage an die Teilnehmenden in der ALPIKA-Tagung: „Wo ist der weiße Elefant in Ihrer Mitte?“