Primarstufe

Einer von uns: Ulrich Walter

Was hast Du vor Deiner Zeit am PI gemacht?
 

Ich komme aus dem Ruhrgebiet, geboren zu einer Zeit, „als die Schornsteine noch rauchten“. Meine Kindheit war geprägt von drei Türmen: dem Kirchturm, dem Turm der Volksschule und dem Förderturm der Zeche. Dort bin ich „zweisprachig“ aufgewachsen, in der Kultur des Pfarrhauses mit hochpolitischen und theologischen Diskussionen am Mittagstisch und der Kantate des Sonntags von Johann Sebastian Bach, und auf der anderen Seite „voll dat Leben“ bei den Kumpels aus der Schule in der Zechensiedlung und der grandiosen Popmusik der 60er. Auf diese Weise habe ich Bodenkontakt bekommen und mir bewahrt.

Schule – Studium – Vikariat
 

Nach Volksschule und Gymnasium – mit Sportabitur im blau / weißen Trikot – habe ich in Bethel, Tübingen und Marburg Theologie studiert, dabei meine liebe Frau kennengelernt, die dann in Marburg die Hebammenausbildung gemacht hat.

Ich habe mit Begeisterung studiert, nachdem ich eigentlich in meiner Heimatgemeinde nur mit dreckigen Fingernägeln und für das Schrauben und Fahren von motorisierten Zweirädern bekannt war. In meinem Studium, besonders in Tübingen und Marburg (bei Moltmann, Jüngel und Ratschow), habe ich mich an theologische Höhenflüge gewagt und Erdung erfahren durch pädagogische Seminare; dabei habe ich wunderbare Entdeckungen gemacht, wie zum Beispiel die Pädagogik der Gleichnisse Jesu!

Nach dem Vikariat in Herdecke / Ruhr bin ich zunächst als Pastor dort geblieben. Und das Kindergartenteam hat mir den Weg aus dem Elfenbeinturm hinunter in die elementare religionspädagogische Arbeit in der Kita geöffnet; durch ein Praktikum ohne Anspruch auf Religionspädagogik, einfach da sein mit den Kindern und schauen wie der Alltag in der Kita ist! So wurde die Religionspädagogik in der Kita, mit Familien und Kontaktstunden an der Grundschule mein Schwerpunkt: Auf die Fragen der Kinder, die das Leben stellt, gemeinsam nach Antworten suchen. 1988, nach sieben Jahren, wurde ich Kindergottesdienstpfarrer der EkvW, meine erste Zeit am PI! Mit der Ökumenischen Versammlung im Herbst 1988 ins kalte Wasser geworfen, habe ich Freude an Großveranstaltungen bekommen, von den Familientagen auf dem DEKT bis zu den Kindergottesdienst-Gesamttagungen. Ich bin durch die EkvW gereist, habe für die haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitenden Seminare angeboten und immer wieder zum Erzählen, dem Handwerk mit dem Mundwerk, ermutigt.

... mein längster Titel mit der geringsten institutionellen Macht...
 

1995, nach weiteren sieben Jahren, kamen neue Herausforderungen. Ich wurde zum Theologischen Sekretär des Gesamtverbandes für Kindergottesdienst in der EKD berufen. Das war mein längster Titel mit der geringsten institutionellen Macht, und ich konnte Menschen allein mit der Sinnhaftigkeit meiner Arbeit und Gedanken intrinsisch motivieren. So habe ich kirchliche Strukturen in der ganzen EKD kennengelernt. Und ich erinnere mich z. B. an Seminare mit Erzieherinnen aus Kindergärten in der Oberlausitz, die nach der Wende einen evangelischen Träger bekamen.

In dieser Zeit habe ich den „Plan für den Kindergottesdienst“ inhaltlich und redaktionell verantwortet und die Gesamttagungen vorbereitet, zuletzt 2002 im Landschaftspark Nord in Duisburg, der vor Zeiten ein Eisenhüttenwerk war, „Voll das Leben!“

19 Jahre am PI, wie hat sich Deine Arbeit hier entwickelt?
 

Kurz vor dem ersten Lockdown im vergangenen Jahr bin ich dann in Diensten des PI sozusagen volljährig geworden, immer noch mit Freude zuständig für die Elementarpädagogik und die Primarstufe. Vielleicht ist das auch eine Antwort auf die Frage, warum ich nach zweimal sieben Jahren nicht schon in der dritten Stelle bin. In meinen ersten Stellen habe ich gewechselt, um neue Herausforderungen zu finden. In dieser Stelle kommen die Herausforderungen auf mich zu!

In der Primarstufe ging es zu Anfang um die Entwicklung des neuen Lehrplans für den Evangelischen Religionsunterricht mit vielen Seminaren zur Implementation. Aktuell wird er gerade wieder überarbeitet… Als weitere Herausforderung kamen u. a. das Thema Inklusion, die Konfessionelle Kooperation und das interreligiöse Lernen dazu.

Seitdem hat sich die Kita sehr verändert.
 

Das interreligiöse Lernen ist auch aus der Kita nicht mehr wegzudenken. Im Elementarbereich begann mit der Pisa-Studie die Epoche der „Frühen Bildung“. Seitdem hat sich die Kita sehr verändert.
Ich freue mich über viele Entwicklungen, denn ich habe erfahren, dass die Art und Weise, wie ich Religionspädagogik in Kita und Grundschule betrieben und gesehen habe, nämlich als eine Weise, der menschenfreundlichen Pädagogik Gottes, die uns in den Geschichten der Bibel begegnet, nun durch Forschungsergebnisse immer mehr erhärtet wird. Sei es durch die Hirnforschung, die die Beziehung zu den Menschen als Voraussetzung des Lernens berücksichtigt, sei es die Bindungstheorie, die deutlich sagt, dass ohne sichere Bindung keine Entwicklung möglich ist. Das hat mich dazu geführt, sehr genau hinzuschauen und noch elementarer in der Übertragung der Texte und Gestaltung der Rituale für die „Religionspädagogik im Alltag der Ev. Kitas“ zu werden. Unter diesem Titel habe ich Multiplikator*innen ausgebildet, mit denen ich seit Jahren erfolgreich Langzeitkurse in den Kirchenkreisen durchführe.

In der Arbeit mit Erzieher*innen und Lehrer*innen sind Ideen gewachsen, wie die Geschichten der Bibel und die Frage nach Jesus ganzheitlich und anschaulich erzählt und ausgelegt werden können. 2007 habe ich begonnen, die Geschichten, Lieder und Legebilder in Büchern und Materialien zum „Friedenskreuz“ herauszugeben, 2010 kam der „Schöpfungskreis“ dazu. Nun ist der Schöpfungskreis im Sommer 2020 mit neuem Gewand und neuem Material überarbeitet erschienen.

An dieser Stelle, weil es keine Rubrik hierfür gibt:

Ich bin dankbar für meine Kolleginnen und Kollegen! Mit ihnen kann ich im Team Ideen entwickeln, denn wir sind gemeinsam auf dem Weg, mit und für die Kinder Religionspädagogik zu gestalten, dabei mit theologischem Tiefgang und dem ganz besonderen Geerdet-Sein, die diese Arbeit braucht! Und was wäre ich ohne die Mitarbeiter*innen in unserer Verwaltung und im Medienzentrum!

Vier Richtungen meiner Arbeit liegen mir weiterhin besonders am Herzen:

  • Die Elementarisierung

Das Schwere leicht sagen, ohne dabei banal oder gar platt evangelikal zu werden. Gern auch gegen eine bürgerlich, moralinsaure Pädagogik, die sich in vielen Kinderbibeln und Materialien für Religionspädagogik immer noch Bahn bricht.

  • Die Menschenfreundlichkeit Gottes als Inhalt und Methode der Religionspädagogik

Bindung und Welt entdecken, dazu die Grundbedürfnisse, sind lebensnotwendig UND fundamentaler Bestandteil aller biblischen Geschichten, weil Gott weiß, was Menschen brauchen. Deshalb haben wir es in den Begegnungen, die uns in der Bibel als Begegnung mit Gott deutend erzählt werden und in den Fragen nach den Geschichten um und mit Jesus immer damit zu tun: Was brauchen wir Menschen, damit wir im Sinne der Liebe Gottes unser Leben als ein Geschenk empfangen und spüren: Gut dass ich da bin! Und gleichzeitig dabei entdecken, dass es einen Ort gibt in dieser Welt, an dem Gott uns braucht, weil auch dass Du und die Schöpfung dazugehören. Aus der sicheren Re-ligio, Rückbindung, wächst die Kraft, in die Welt zu gehen, und an Gottes Schöpfung Teil zu haben und in ihr mitzuarbeiten.

  • Die Nachhaltigkeit

Das „Auslegen“ der Bibel, besonders der neutestamentlichen Geschichten mit der Frage „Wer ist denn dieser Jesus“ ist doppeldeutig: Im anschaulichen Begreifen mit allen Sinnen lernen wir, es auf den Begriff zu bringen, und nicht umgekehrt!

So öffnet sich für die Kinder ein Bilderspektrum, das nachhaltig, weil selbst miterschaffen ist; und durch das eigene Denken hindurch wird es zu einer Geschichte, deren Teil sie sind. Das ist bedeutsam in einer Zeit, in der täglich so viele Stories auf sie einprasseln und die biblischen Geschichten hier und da ein wertvolles Gegenüber sind und gleichzeitig Ankerpunkte bieten, damit bleibende Verbindungen hergestellt werden.

  • Das Theologisieren als Weg zur Anbahnung von Kompetenz

Guter Religionsunterricht kann Wissen vermitteln, das abfragbar, ja auch bewertbar ist, aber nicht ohne dass beim Auslegen und Entdecken Schüler*innen mit hinein genommen werden in diese Geschichten, sie die gemeinsamen Lebensfragen entdecken und Geschmack geweckt wird für das, was über uns hinausweist.

Worin findest Du einen Ausgleich?
 

Da ist der Austausch mit meiner Familie, meiner Frau, meinen Musik schaffenden Söhnen und meiner wirtschaftlich kreativen Tochter, leider viel zu weit verteilt in Deutschland.

Da ist das Radfahren, ein Ausgleich, der mir unterwegs schon viele Ideen für Seminare und kreative Methoden beschert hat.

Und wenn ich einen Zollstock in die Hand nehme, dann nicht nur um damit zu messen und zu bauen, sondern auch, um mir neue elementare Zugänge zu Geschichten auszudenken.

Weil ich neben dem Bewegen auch die Ruhe brauche, schnitze ich gerne, vor allen Dingen kleine Vögel, ich hab halt nicht nur einen...

Und dann und wann beschäftige ich mich gern auch kabarettistisch mit dem, was so um mich herum vor sich geht, auf diese Weise ist die sogenannte Realität besser erträglich und überhaupt, wie Charmaine Liebertz formuliert hat: „Lernen und Lachen bilden ein Traumpaar!“